Beitrag zur Enquete „Die Zukunft in Europa“
Unter dem Gesichtpunkt der Unterteilung in 25-Jährige bis 75-Jährige gehöre ich zu einer Zwischengeneration. Im Jahre 1945 war ich fünf Jahre alt. Ausserdem lebte ich in einem Land, das von den Gräueln des Krieges im Grunde verschont geblieben ist. Der Zweite Weltkrieg bedeutet für mich kein praktisches Erlebnis.
Die folgenden Jahrzehnte haben mir das reichlich ersetzt. Durch ein Zusammentreffen der Umstände geriet ich auf die falsche Seite des Eisernen Vorhanges. 40 Jahre lang war für mich Wien praktisch genauso weit entfernt wie Kuala Lumpur, obwohl die Fahrt von Prag in die österreichische Hauptstadt jetzt nur dreieinhalb Stunden dauert.
Ich sehe die Zukunft Europas aus dieser Perspektive. Ein vereintes Europa bedeutet für mich die Hoffnung, dass sich dieses Erlebnis nie wiederholen wird, weder für mich, noch für meine jüngeren Landsleute. Dieser Wunsch hat heute eine besondere Inständigkeit, wenn sich in Russland die unbewältigte Vergangenheit wieder zu Wort meldet. Und Europa bedeutet für mich zugleich die Angst, dass sich unter neuen Gegebenheiten die Ereignisse des Jahres 1938 wiederholen könnten, als uns unsere Verbündeten dem Feind preisgegeben haben. Die Hoffnung stellt für mich ein vereintes Europa dar, das eng und loyal mit den Vereinigten Staaten zusammenarbeitet. Und ich weiß sehr wohl, dass man nur dann Hilfe und Fürsprache erwarten kann, wenn man sich selbst in der tagtäglichen Politik als nützlicher Verbündeter erweist. Ich möchte hoffen, dass auch die führenden tschechischen Politiker sich dessen bewusst sind. Leider fällt mir gerade dies verhältnismäßig schwer.
Der Autor, Jahrgang 1940, ist Journalist und Herausgeber der Internetzeitschrift "Události" (Ereignisse). Tschechien