Des Premiers liebster Nebenjob
In den zurückliegenden Monaten hat Premier Jiøí Paroubek in einem Nebenjob anscheinend gut dazu verdienen können. Jedenfalls wird es für einige Weihnachtsgeschenke reichen. Es vergeht nämlich kaum ein Tag, an dem der sozialdemokratische Politiker nicht in der Presse seinen Standpunkt darlegt. Paroubek tut das allerdings nicht des Verdienstes wegen, das war eine freie Erfindung. Nein, der Politiker will die Wähler beeinflussen und gibt den Bürgern einen Einblick in seine Vorstellungswelten. Welche sind das?
Da fällt erst einmal der Wortschatz auf. Ein Beispiel: In einem Artikel jüngeren Datums regt sich der Premier über „zahlreiche Angriffe“ auf, denen es „an gesundem Urteilsvermögen“ mangele und die nichts anderes seien „als Hetze“, zudem „eine aggressive Hetze gegen die Sozialdemokratie und gegen mich“. Das sind Töne, die in der Öffentlichkeit so nach der sanften Revolution von 1989 noch nicht angeschlagen wurden. Zwar hat auch Ex-Premier Miloš Zeman gegenüber der Presse keine Rücksichten genommen. Aber sein Nachfolger Paroubek bedient sich eines Wortschatzes, der vielen noch aus der Zeit der Normalisierung, der Zeit nach der Niederschlagung des Prager Frühlings bekannt sein dürfte.
Hinzu kommt die eigenartige Vorstellung des Regierungschefs, er dürfe allein schon aus seiner Funktion heraus zu jeder Zeit und in jeder Zeitung Artikel veröffentlichen. Verbittert nimmt er zur Kenntnis, dass ihn die Tageszeitung „MF Dnes“ nicht abdruckt. Aber wo kommen wir denn dann hin? Die Journalisten der „MF Dnes“ beschweren sich doch auch nicht, dass sie beispielsweise kein Mitspracherecht im Innenministerium haben. Dabei ist es doch ganz einfach: Für Zeitungen schreiben Journalisten, Regierungschefs wiederum regieren und müssen sich dafür in der Öffentlichkeit verantworten.
Der Premier verteidigt sich gegen den Vorwurf, er würde seine Funktion im Fall der Allgemeinen Krankenkasse, VZP, wie ein Manager wahrnehmen. Es sei doch nur verständlich, dass er das Management eines Unternehmens ablöst, das in den roten Zahlen steckt. Wieder gibt er ein Beispiel, wie er sich Politik vorstellt. Denn die Allgemeine Krankenkasse ist kein Unternehmen, und ihm gehört sie schon gar nicht. Es handelt sich um eine öffentliche Einrichtung, über deren Direktor das Parlament auf Empfehlung des Verwaltunsgrates der Versicherung entscheidet. Es gibt keine aus dem Gesetz hervorgehenden Kompetenzen des Premiers gegenüber der Krankenkasse.
Und wenn der Regierungschef dann erklärt, es sei in diesem Zusammenhang nur noch nebensächlich, dass die oppositionelle Bürgerlich-Demokratische Partei aus der Krankenkasse Gelder abgezweigt hätte, dann irrt er sich gewaltig. Wenn er als Premier einen derartigen Verdacht äußert, dann ist das eine Angelegenheit für den Strafrichter, vorausgesetzt der Vorwurf kann belegt werden.
Noch eine Anmerkung zur Presse: Der Regierungschef möchte ein neues Pressegesetz. Dort will er „das zwingende Recht auf Gegendarstellung“ durchsetzen. Paroubek versteht darunter das Recht, auf jeden Artikel antworten zu dürfen, der ihm nicht passt. Und noch eine Neuigkeit will er einführen: den „zweckentsprechenden Schutz des Bürgers vor verantwortungslosen Angriffen in den Medien“. Paroubeks Vorstellungen sind unschwer zu verkennen. In der Presse sollen nur jene zu Wort kommen, die seinen Vorstellungen entsprechen.
Jede andere Meinungsäußerung wird im Handumdrehen bestraft. Paroubek beruft sich in diesem Zusammenhang gern auf Deutschland und Österreich, tatsächlich praktiziert wird eine solche Medienpolitik allerdings anderswo, nämlich in Weißrussland.
Prager Zeitung 8. Dezember 2005