Pithart will die Medaille nicht

Petr Pithart lehnte die Annahme der Europäischen Medaille, die er vom Freistaat Bayern bekommen sollte, ab. Übergeben sollte sie ihm der bayerische Minister für europäische Angelegenheiten Sinner.

Der Chef des Senats begründete seine Entscheidung wie folgt: "Ich kann nicht in ein Land reisen, das unsere EU-Mitgliedschaft nicht wünscht." Er will sie erst dann annehmen, wenn sich die CSU bemüht, ihr Abstimmungsverhalten im EU-Parlament zu korrigieren.

Die Haltung zum tschechischen Beitritt ist nicht unproblematisch. Sollte es der CSU gelingen, ihre Stellungnahme durchzusetzen, würde östlich von Bayern ein Freilichtmuseum von Aversionen und nationaler Feindschaft entstehen, in das man nur schwer eingreifen könnte. Diejenigen, die bei uns über die Probleme der Vergangenheit entgegenkommend denken, würden in eine noch schlechtere Situation gelangen als heute. Eine solche Stellungnahme der deutschen politischen Partei würde zwar meines Erachtens nicht einsichtig sein, allerdings würde sie konsequent sein und man könnte nichts anderen machen, als sie zu respektieren. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass die CSU nicht wusste, dass ihre Stimmen im EU-Parlement nicht entscheidend sein würden. Ich befürchte, dass es der CSU gar nicht darum ging, Tschechien nicht aufzunehmen, sondern eine gewisse Unterstützung ihren sudetendeutschen Wählern gegenüber zu äußern.

Sudetendeutsche Wähler der CSU verdienen in diesem Sinne eine Unterstützung, weil ihre Forderungen zur Selbstreflexion auf der tschechischen Seite gerechtfertigt sind. Die CSU kam ihren Wählern entgegen und zugleich beeinflusste sie die Aufnahme Tschechiens nicht, was sie wahrscheinlich auch nicht wollte. Unsere Sorge ist allerdings nicht die CSU, sondern der tschechische Senatspräsident. Pithart lehnte eine Auszeichnung mit dem Hinweis auf die Abstimmung der größten bayerischen Partei ab. Auch wenn die CSU den Beitritt Tschechiens ganz aufrichtig nicht gewünscht hat (worüber ich meine Zweifel habe), bedeutet es nicht, dass es ein Land wünscht, wie Pithart sagt. So wie die Abstimmung nur eine Geste den Wählern gegenüber war (und ich denke, eine solche Gesten soll man nicht machen), war sie eine Geste, und zwar eine nicht vergleichbare, mit der von Pithart. Er ist ein entgegenkommender Politiker immer mit unter einer Bedingung: Seine politische Karriere darf nicht bedroht werden. Was die politische Karriere in Tschechien bedrohen kann, kann man schwer im voraus einschätzen und deshalb mischte sich Pithart in seiner Euphorie nach der Wende in die Problematik der Vertreibung der Sudetendeutschen ein. Er unterzeichnete sogar den Aufruf "Versöhnung ´95". Danach hat sich gezeigt, dass es hier ein Problem gibt. Und deshalb gab er sich für die Organisatoren der Petition (westlich von Asch) und mehrmals distanzierte er sich von ihr (östlich von Asch). Es half nichts: Bei der Präsidentenwahl scheiterte er. Er muss dann seinen Patriotismus deutlich demonstrieren. Dazu dient ihm jetzt die bayerische Szene. Die Handlung von Pithart ist absurd aus einer pragmatischen Sicht. Er gibt den Nationalisten von der ODS, ČSSD und KSČM den Beweis, er ist nicht im Stande, konsequent zu handeln. Und ehrlich gesagt: Er beängstigt sich.

Aufmerksamkeit verdient Pitharts Aufruf zur Buße, adressiert an die CSU. Es ist sehr schwer nicht daran zu erinnern, wie der Senatspräsident, bemüht um politisches Potential, den Weg nach Kuba wagte, um dort zwei verhaftete Tschechen zu befreien. Eine Woche saß er kniefällig im Vorraum eines Diktators und von einer Buße war keine Rede. Pithart ist ein Realist. Er weiß, Deutsche wegen ihres Schuldkomplexes für den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg zum weinen zu zwingen, ist leicht. Bei den lateinamerikanischen Banditen hat eine ähnliche Haltung dagegen keine Erfolgsaussichten.

Landeszeitung 25. 5. 2004