Die deutsche Minderheit in der Tschechischen Republik hat keine Zukunft
Es tut mir leid, dass ich meine Meinung so schroff formulieren muss wie im Titel. Gerne würde ich den Lesern der Landeszeitung eine bessere Nachricht mitteilen. Die Fakten sind aber unerbittlich und es wäre unehrenhaft, sie zu verdrehen oder zu beschönigen.
Die deutsche Minderheit in der Tschechischen Repulik ist sehr schwach und besteht zur Zeit nur aus ungefähr 40 Tausend Menschen. Gleichzeitig ist sie verstreut über das gesamte Grenzgebiet, wo sie in keinem der früheren Kreise mehr als zehn Prozent ausmacht. Dafür, dass solch eine Minderheit überlebt, ist sehr viel guter Wille von Seiten des Staates und der Mehrheitsbevölkerung notwendig. Dieser gute Wille hat hier nicht exitiert, existiert nicht und wird in nächster Zeit (20-30 Jehre) hier auch nicht exitieren.
Die Deutschen, die nach der Vertreibung in der ČSR blieben, blieben in überwiegender Mehrzahl auf Grund von gutem Willen der staatlichen Organe. Ein bedeutender Teil waren Facharbeiter, unabkömmlich für die Aufrechterhaltung des Betriebs der konfiszierten Unternehmen. Sie unterlagen einer Reihe von Repressalien (Zwangsarbeit, Eigentumsbeschlagnahmung, Lohnkürzung, etc.). Die Staatsbürgerschaft bekam die Mehrzahl von ihnen erst 1953 und das nur deshalb, damit sie keine Argumente zum Umsiedeln in die Bundesrepublik haben sollten. Als nationale Minderheit wurde sie offiziell erst 1968 anerkannt. Sie hatten von Anfang an das Statut von Personen, die aus Gnade geduldet werden, und viel hat daran auch das Jahr 1989 nicht geändert.
Die tschechischen Bürger deutscher Nationalität (im Unterschied zu den Bürgern tschechischer Nationalität) wurden nie für das erlittene Unrecht entschädigt, das sie nach 1945 ertragen mussten. Sie wurden rechtlich niedriger eingestuft bei der Resitution: Das Gesetz Nr. 243/1992 hat ihnen nur die Rückgabe von landwirtschaftlichem Eigentum zuerkannt (es wäre interessant festzustellen, was tatsächlich zurückerstattet wurde) und das Gesetz 30/1966 Sb. (das sogenannte "Lex Walderode") hat sie darüberhinaus gegenüber den Einwohnern tschechischer Nationalität durch die Bedingung der ununterbrochenen Staatsbürgerschaft bis 1989 benachteiligt. Das Verfassungsgericht hat diese offensichtlich verfassungswidrige Novelle nicht außer Kraft gesetzt und hat nur versucht von ihrer Grundlage abzulenken.
Den populistische Block KSČM - ODS und der chauvinistische Flügel der ČSSD, der derzeit über die Mehrheit im Abgeordnetenhaus verfügt, interessiert die nicht sehr zahlreiche deutsche Minderheit nur in dem Sinne, dass die ablehnende Haltung diesen Forderungen gegenüber die Anhänger in der Mehrheitsbevölkerung aufrütteln kann, deren bedeutender Teil die harte Position gegen die Deutschen mit Dank quittiert. Die tschechischen Bürger deutscher Nationalität werden in den Medien wieder als "Sudetendeutsche" gebrandmarkt: und das ist in Tschechien eine negative Bezeichnung. Gut gemeinte Initiativen wie der Vorschlag des stellvertretenden Ministerpräsidenten Mareš, eine humanitäre Geste gegenüber den tschechischen Einwohnern deutscher Nationalität zu unternehmen, sind deshalb zum Misserfolg verurteilt, auch wenn die Regierung sie als Ganzes unterstützt, hat sie in dieser Angelegenheit im Abgeordnetenhaus keine Mehrheit.
Auch die Vorstellung, dass sich Institutionen der Europäischen Union der Minderheit annehmen, ist völlig irreal. Kommissar Verheugen verlautbarte, dass er von deren Bedrängnis nichts wisse. Professor Frowein behauptet in seinem Gutachten für das Europäische Parlament über die Beneš-Dekrete, dass die Situation der deutschen Minderheit in Tschechien "normal" sei. Als Jiří Wonka im Restitutionsstreit beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg sein Recht einzuklagen versuchte, erhielt er eine einfache und arrogante Antwort.
Man kann nicht ausschließen, dass in einigen Jahrzehnten, sagen wir 20, 30 Jahren, wenn eine wirkliche grausame Gefahr auftaucht, die im tschechischen Nationalbewusstsein den antideutschen Hass auslöscht, sich tschechische Intellektuelle und die politische Elite dazu entschließen, auch in der Sache der deutschen Minderheit Gerechtigkeit walten zu lassen. Man wird viele Krokodilstränen vergießen und im Äther werden viele vollmundige Reden erklingen. Und es wird einfach sein: Zu der Zeit wird nämlich in der Tschechischen Republik keine deutsche Minderheit mehr existieren.
Lendeszeitung 3. 2. 2004