Und dann schaut, dass ihr euch auch noch entschuldigt
Ministerpräsident Nečas hat im bayerischen Landtag eine Rede gehalten, die u. a. zu den Sudetendeutschen relativ entgegenkommend war. In einer TV-Talkshow wurde Nečas dafür nicht nur vom I. Stellvertreter des Vorsitzenden der oppositionellen Sozialdemokraten, Michal Hašek, kritisiert (der die Kritik der politischen Konkurrenz sozusagen in der Arbeitsbeschreibung hat), sondern auch vom I. Vizechef seiner eigenen Bürgerpartei (ODS), Martin Kuba. Die tschechische Seite sollte ihrer Meinung nach nicht die einzige sein, die das "Modell der Entschuldigung trägt". Entschuldigen sollten sich nämlich auch die Sudetendeutschen.
Diese Forderung ließe sich begreifen, allerdings nur unter einer einzigen Bedingung: Wenn die Sudetendeutschen immer noch im tschechischen "Grenzgebiet" leben würden (wir hatten einst prozentuell die größte Grenzregion der Welt, die bis zu der in der Nähe von Prag gelegenen Stadt Mělník reichte). Ich erwähne in diesem Zusammenhang, dass in der Vorkriegszeit in der Tschechoslowakei 3,1 Millionen Deutsche lebten. Die Zahl der Tschechen betrug 6,7 Millionen.
Die Deutschen waren mit ihrer Stellung in der Tschechoslowakei vor dem Krieg unzufrieden: Sie hatten das Statut einer Minderheit (einer beleibten Minderheit). Die staatliche Verwaltung der Regionen, in denen sie lebten, war "tschechoslowakisch". Was den Deutschen zur Verfügung stand, war eine Selbstverwaltung, die nur auf kommunaler Ebene bestand sowie auf ganzstaatlicher Ebene die politischen Parteien. Beides konnte im Prinzip auch nicht reglementiert werden, ohne dass dies nicht gleichfalls Folgen für die Demokratie der "Tschechoslowaken" gehabt hätte. Die Unzufriedenheit der Deutschen war verständlich. Ihr Problem bestand darin, dass sie letztlich Hitler um Hilfe ersuchten, für den ihr Selbstbestimmungsrecht nur ein Mittel zur Erreichung seiner schändlichen Ziele war.
Im Rahmen der Vergeltung wurden die Deutschen dann 1945/46 um alles (auch um das persönliche Eigentum) und die Bürgerrechte gebracht. Die überwiegende Mehrheit der Minderheit wurde dann nach Deutschland deportiert. Als Kriterium diente das Bekenntnis zur deutschen Nationalität ab dem Jahr 1929. Individuelle Ausnahmen mussten in letzter Instanz beim tschechoslowakischen Innenministerium beantragt werden. Der Antragsteller musste nachweisen, dass er "der Tschechoslowakischen Republik treu geblieben ist, sich niemals gegen das tschechische und das slowakische Volk vergangen hat (!) und entweder aktiv am Kampf für deren Befreiung teilgenommen oder unter dem nazistischen Terror gelitten hat." Derartigen Bedingungen entsprach begreiflicherweise fast niemand. Jetzt geht in Deutschland langsam das Leben des letzten Rests der "Abgeschobenen" zur Neige (Menschen, die als Säuglinge deportiert worden waren, sind heute 67 Jahre alt).
Bei der "Abschiebung" kam es zu einer Reihe abscheulicher Massenverbrechen, wegen derer heute bei uns schon so mancher etwas wie Betretenheit empfindet. Sicher, sie war bei weitem nicht so fürchterlich wie der Holocaust. Wer sich damit trösten möchte, nur zu.
Diese Menschen wurden um alles gebracht und nach Deutschland vertrieben, das vom Krieg zerstört war. Gott im Himmel, Herr Kuba und Herr Hašek, nicht einmal das genügt Ihnen? Zusätzlich sollen sie sich auch noch entschuldigen?
Online-Ausgabe der gesellschaftspolitischen Zeitschrift Reflex.cz 26. Februar 2013
Übersetzung Sylvia Janovská