Land der Berge, Land am Strome

Land der Berge, Land am Strome (der Donau). So lautet die erste Zeile der ersten Strophe der österreichischen Bundeshymne.

Die Hymne bzw. ihr Text sind jetzt zur politischen Aktualität geworden. Die Worte werden geändert und zwar im Geiste der politischen Korrektheit. Die vierte Zeile der ersten Strophe lautet nämlich: "Heimat bist du großer Söhne". Und nun wird es heißen "Heimat bist du großer Töchter und Söhne". Und in der dritten, der letzten Strophe, wird statt der "Brüderchöre" ein Begriff auftauchen, der auch die Schwestern einbezieht. Die Entscheidung ist noch nicht endgültig, aber es scheint, dass sich der 2005 von Frauenministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) entfesselte Mädchenkrieg, für den sie nachfolgend Bundesgenossen, Pardon, Bundesgenossinnen in der SPÖ, bei den Grünen und auch im oppositionellen Bündnis Zukunft Österreich fand, einem siegreichen Ende zuneigt.

Paradox ist, dass es sich beim Autor des Textes der Hymne um eine Dame handelt, die ihn 1946 geschrieben hat und sicherlich nicht ahnte, was ihr indirekt nach mehr als einem halben Jahrhundert vorgeworfen wird (ältere Texte können auch mit einer gewissen Pietät betrachtet werden). Die Melodie ist wesentlich älter. Sie wurde W. A. Mozart zugeschrieben, was von einigen Experten bezweifelt wird. In jedem Fall ist die Melodie ein Ausdruck (gewiss ein nebensächlicher) der großartigen Musikkultur, deren Gipfel Mozart darstellte.

Was für eine Staatshymne Österreich haben wird, ist selbstverständlich Sache der Österreicher und nicht meine. Ich kann mich lediglich nicht zurückhalten und muss ein paar gänzlich persönliche und sentimentale Bemerkungen zum Thema Nationalhymne allgemein und der österreichischen insbesondere machen. Nämlich Bemerkungen dazu, was die europäischen Staats- bzw. Nationalhymnen für mich in der Zeit meiner frühen Jugend bedeuteten: Einen Moment der Befreiung unter der erdrückenden Decke bolschewistischer Hits wie "Sojus nerushimai" (die Nationalhymne der Sowjetunion). Später kam dank der Erfolge der Sportgladiatoren aus der "DDR" noch "Auferstanden aus Ruinen" dazu. Eine Hymne birgt auf ihre Weise die Seele der Gesellschaft in sich, die sie sich zu eigen gemacht hat. Und alle diese Hymnen waren zusammen eine Verkörperung dessen, dass Europa bzw. die transatlantische Welt zusammen gehören, obwohl Russland vorübergehend einen beträchtlichen Teil von ihnen abgebissen hatte. Gelegenheiten, um sich mit den Hymnen bekannt zu machen, waren damals Sportübertragungen im Fernsehen (z. B. Eishockeymeisterschaften, Olympische Spiele). Der Mensch nahm auch gewisse Unterschiede wahr: So ragte beispielsweise unter den bezüglich der Texte mehrheitlich sentimentalen und verweinten mitteleuropäischen Hymnen die polnische heraus - ein optimistisches, fast fröhliches Militärlied mit einer prinzipiellen Botschaft: Solange wir leben und den Säbel in der Hand haben, besteht unser Vaterland!

Weil die Österreicher in der Zeit meiner frühen Jugend weder im Eishockey noch in der Athletik die Spitze darstellten, habe ich ihre Hymne das erste Mal erst irgendwann Anfang der siebziger Jahre gehört, als ich begann, regelmäßig statt des unerträglichen tschechischen Rundfunks den österreichischen zu hören (damals hatte ich den Eindruck, dass ich die Rundfunkgebühren eigentlich in Schilling bezahlen sollte). Die schöne Melodie der österreichischen Hymne nahm mich gefangen. Manchmal habe ich absichtlich bis Mitternacht gewartet, um sie zu hören. Das waren Signale einer geografisch und auch historisch nahen Zivilisation, zugleich aber auch einer schicksalhaft unermesslich entfernten (nach Wien bin ich erstmals im Jahr 1990 gelangt, mit fünfzig Jahren).

Obwohl mich die Angelegenheit nichts angeht, muss ich bekennen, dass ich Angst um das Schicksal dieser Melodie habe. Wird bei der Textänderung nicht auch ihre Änderung notwendig sein? Ein abschreckendes Beispiel ist das Schicksal der polnischen Hymne, deren Melodie in die unsanften Pranken der Panslawisten geriet (sie wurde zur "slawischen Hymne": Hej, Slawen!)und deren zweiten Teil sie wegen der Bedürfnisse des neuen Textes auf unglaubliche Weise verhunzten. Ich hoffe, dass die Hände der österreichischen politischen Amazonen rücksichtsvoller sein werden. Aber um ganz sicher zu gehen, habe ich mir die heutige Fassung der österreichischen Nationalhymne aus dem Internet heruntergeladen und gespeichert. Hier ist sie.

Online-Ausgabe der überregionalen Tageszeitung "Lidové noviny", lidovky.cz, 15. Juli 2011
Übersetzung Sylvia Janovská