Ein Ausdruck außerordentlicher Gefühlskälte und Unbelehrbarkeit

Auf dem diesjährigen Sudetendeutschen Tag In Augsburg hat der Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Franz Pany, anlässlich der Auszeichnung des früheren slowakischen Staatspräsidenten Rudolf Schuster mit dem Europäischen Karlspreis unter anderem Folgendes gesagt:

„Vor wenigen Wochen hat das Staatsoberhaupt Großbritanniens den Nachbarn Irland besucht. Zwischen diesen Ländern steht eine jahrhundertelange Geschichte von Unterdrückung, Tyrannei und Leid. Königin Elizabeth sprach davon, sie sähe 'viele Dinge, von denen wir wünschten, wir hätten sie anders oder gar nicht gemacht.' Was hindert ein republikanisches Staatsoberhaupt wie den Präsidenten der Tschechischen Republik, solches oder Ähnliches in Richtung der vertriebenen und entrechteten Sudetendeutschen zu äußern?" Soweit Franz Pany. (Nur am Rande erinnere ich daran, dass Pany zuvor in seiner einleitenden Begrüßungsrede expressis verbis Präsident Klaus als europa- und deutschfeindlich kritisiert hatte.)

Präsident Klaus gab daraufhin (d. h. ich hoffe zumindest, dass es auf das Ansinnen einer mit der der britischen Königin vergleichbaren Geste hin geschah) eine äußerst aggressive Erklärung ab. Ich muss bekennen, dass ich seine Meisterschaft bewundere: So viel Demagogie in nur vier Sätzen zu konzentrieren, dazu ist selten jemand fähig.

Erstens: „Alle bisherigen entschuldigenden Äußerungen der tschechischen Seite wollen einige in Deutschland nicht hören." Pany sprach freilich nicht von "der tschechischen Seite", sondern konkret von Klaus. Im Übrigen, was heißt das, die tschechische Seite? Ein tschechischer Verfassungsträger? Ein tschechischer Politiker? Ein Regierungs- bzw. Oppositionspolitiker oder überhaupt irgendein öffentlich aktiver Mensch? Der offizielle tschechische Standpunkt geht von der zweideutigen Formulierung der deutsch-tschechischen Erklärung aus, die in Tschechien als Bedauern der "Exzesse" ausgelegt wird, während sie in Deutschland als Bedauern der Vertreibung als solche interpretiert wird. Der tschechische Standpunkt lautet: Es muss bedacht werden, wer angefangen hat. Wir hatten eine hinlängliche Ursache, so zu reagieren, wie wir reagiert haben und das legitimiert uns. Zudem hat damals jeder etwas Ähnliches gemacht.

Das ist das reinste Alibi-Denken. Und Präsident Klaus selbst hat vielfach davon gesprochen, dass wir uns dessen, was geschehen ist, "nicht rühmen werden". Das würde gerade noch fehlen!

„Die Streitigkeiten hinsichtlich der Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und um alles, was mit ihm zusammenhing, können nicht durch Entschuldigungen beigelegt werden, und schon gar nicht von uns, die wir heute leben, folglich nach 66 Jahren." Das ist gut. Und warum müssen sich im Unterschied zu uns Tschechen dann die Deutschen, die heute leben, nach 66 Jahren entschuldigen und überdies in alle Richtungen die verschiedensten Entschädigungen zahlen? Überdies sprach Pany nicht davon, dass eine entgegenkommende Geste des tschechischen Präsidenten die Verantwortung für den Krieg und was mit diesem zusammenhing klären sollte.

„Und außerdem ist die Forderung nach einer Entschuldigung in den Tagen des Jahrestages der grauenhaften Tragödie von Lidice ein Ausdruck außerordentlicher menschlicher Gefühlskälte und Unbelehrbarkeit." Pany hat Klaus nicht anlässlich der Tragödie von Lidice zu einer entgegenkommenden Geste aufgefordert, sondern anlässlich der Erteilung des Europäischen Karlspreises. Klaus sollte konsequenter sein und kritisieren, dass der Sudetendeutsche Tag überhaupt zu diesem Zeitpunkt stattgefunden hat. Doch auch dies ist ein Nonsens. Schließlich fand das Treffen der Sudetendeutschen bereits zum wievielten Male zu Pfingsten statt. Wäre es nicht besser, für jeden Tag im Jahr irgendeinen Gedenktag auszuarbeiten, mit dem wir denjenigen eins auf den Schädel geben würden, die es wagen würden, uns gerade an diesem Tag etwas zu sagen, was uns nicht passt?

Und letztendlich:„Eine Entschuldigung hatte immer Sinn als schöne menschliche individuelle Geste, die der Mensch aus eigener Entscheidung heraus macht." Ich bekenne, daran ist etwas Wahres. Eine Entschuldigung von jemandem zu fordern, der sich zumindest nicht ein bisschen entschuldigen will und dem so etwas wie eine Entschuldigung wesensfremd ist, ist völlig kontraproduktiv. Falls er sich entschuldigt, dann lediglich unter Druck, und eine derartige Entschuldigung ist nichts wert. Die Menschen entschuldigen sich für etwas, wofür sie sich schämen. Derjenige, der sich nicht für Dinge schämt, für die man sich schämen muss, bringt damit eine "außerordentliche Gefühlskälte und Unbelehrbarkeit" zum Ausdruck.

Bohumil Doležal, Onlineausgabe der Tageszeitung "Lidové noviny", lidovky.cz, 13. Juni 2011
Übersetzung Sylvia Janovská