No pasaran! Sie werden nicht durchkommen!

Ein halbrunder Jahrestag der Mai-Revolution des Jahres 1945 hat stattgefunden. Das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen ČT erkühnte sich, am 5. Mai in seinem weniger beachteten zweiten Programm einen Dokumentarfilm über die Massaker deutscher Zivilisten unmittelbar nach der Ankunft der Roten Armee auszustrahlen. Der Ausgewogenheit halber fand anschließend eine einstündige Debatte über das Wüten der Gestapo statt. Doch nicht einmal das scheint zu genügen. Konkret: Es genügte Seiner Hochwohlgeboren, dem Hauptmann des Mährisch-schlesischen Kreises nicht, unserem Herrn Jaroslav Palas. So dass umgehend auf den Seiten der links orientierten Tageszeitung "Právo" seine leidenschaftliche Anklage mit folgendem Inhalt erschien:

Selbstverständlich, dass es hier und dazu zu irgendeinem "Exzess" (so wird heute der Massenmord genannt) gekommen sei. Allerdings sei es notwendig, diesen im "historischen Kontext" und "in den Proportionen" wahrzunehmen und keinesfalls eine "Parallele" zwischen "wahrlich vereinzelten Exzessen" und den vorhergehenden Gräueln und Massenverbrechen des nationalsozialistischen Regimes zu ziehen. (In dem Film gab es keine Parallele. Es wurde lediglich trocken konstatiert, was damals - bereits nach dem Krieg - auch geschehen ist.). Seitens des Tschechischen Fernsehens sei das „absolut unannehmbar“, eine „niederträchtige Manipulation“ und „freche Provokation“, zu der es überdies „in den Tagen gekommen ist, die für alle, die auf den Barrikaden standen, deren Nachfahren und einfach aller, die vor dem Vermächtnis der Kämpfer gegen den deutschen Faschismus tiefen Respekt und Hochachtung empfinden, Feiertage sind." Also kurz gesagt, des ganzen werktätigen Volkes, und dies in den geblümten, wutschäumenden Formulierungen, auf die man in "Právo" von den fünfziger Jahren an bis in die achtziger Jahre hinein Wert legte (als würde ich die ehemalige kommunistische Anklägerin Brožová-Polednová hören, die sich auch keines Unrechts bewusst ist). „Jemand probiert hier, was die tschechische Gesellschaft alles aushält, wie weit er gehen kann.“ Und Seiner Hochwohlgeboren zufolge ist die "Zeit gekommen, um zu sagen: Es reicht!“.

Der Herr Hauptmann wurde für ähnliche Schreiben geschult (er ist Absolvent der einstigen Abenduniversität für Marxismus-Leninismus /VUML/)und hat offensichtlich auch Praxis (als langjähriges Mitglied der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei in der Normalisierungszeit). Ich kann leider nicht verschweigen, dass mir das, was er schreibt, nicht nur aus diesen Gründen wie eine außerordentlich dreiste Provokation vorkommt.

Erstens: Mit der detaillierten Schilderung der Gräuel des Nationalsozialismus und des Widerstandskampfes des tschechischen Volkes haben uns die Genossen des Herrn Palas seit meiner Kindheit an regelmäßig und rabiat gefüttert so wie man Gänse mit Malznudeln stopft, bevor man sie schlachtet. Zudem handelte es sich zumindest hinsichtlich des Widerstandskampfes um einseitige und verlogene Erzählungen, weil sie den nichtkommunistischen Teil total tot schwiegen. So habe ich beispielsweise in der Schule die Namen Balabán, Mašín und Morávek nie gehört. Nach der politischen Wende wurde zumindest dies behoben, aber wenn es jemand wagt, über die Kehrseite der Angelegenheit zu sprechen - eigentlich ist das nicht genau: es handelte sich um das Wüten von außer Rand und Band geratenen Leuten zu einem Zeitpunkt, in dem der Krieg schon vorbei war und nichts mehr drohte - dann ruft Seine Hochwohlgeboren: Es reicht!

Was hat er damit wohl im Sinn? Offensichtlich soll die tschechische Öffentlichkeit ihm zu erkennen geben, dass sie "das nicht aushält" und "sie nicht so weit gehen können". Es tut mir leid, aber das ist ein Aufruf zur sog. Ausliquidierung (Ausmerzung). Wie diese aussehen soll, ist unklar: Genügt es, den Betroffenen das Maul zu schließen oder sie eventuell ordentlich zu verprügeln, einzusperren, bis sie schwarz werden oder sie direkt aufzuhängen?

Ich sehe das völlig anders als Herr Palas: Jemand - nämlich gerade er, das ehemalige KPTsch-Mitglied in der Normalisierungszeit und der Absolvent der Abenduniversität für Marxismus-Leninismus - probiert hier, inwieweit die tschechische Öffentlichkeit verblödet ist, um seinen Instruktionen Gehör zu leihen. Er probiert, was die Leute alles aushalten, wie weit er bei der Drosselung der Meinungsfreiheit gehen kann. Und die Zeit ist gekommen, um gerade ihm zu sagen: Es reicht.

lidovky.cz 10. Mai 2010
Übersetzung Sylvia Janovská