Jeder sollte seinen Teil der Verantwortung tragen
Luboš Palata behauptet in seinem Artikel über den Prozess gegen John Demjanjuk (Lidové noviny, 4. Dezember 2009), das deutsche Tribunal über diesen Menschen könne zu einer weiteren (!) gefährlichen Relativierung der deutschen Verantwortung für die nazistischen Kriegsverbrechen führen, weil Demjanjuk Beihilfe zum Mord Zehntausender Juden im Vernichtungslager Sobibor zur Last gelegt wird. Dadurch würden die Urheber der Kriegsgräuel mit ihren Opfern vertauscht, die zu ihrem Tun gezwungen worden seien. Es handele sich um die Fortsetzung eines Trends, auf den einst der frühere polnische Bürgerrechtler und heutige politische Publizist Adam Michnik aufmerksam gemacht hat: Deutsche Politiker beginnen angeblich zu behaupten, eigentlich wären wir alle schuldig, weil die Deutschen zwar Prag okkupiert, aber später die Tschechen die Deutschen aus Karlsbad vertrieben haben. Der Vergleich sei unzulässig, weil weder die Tschechen noch die Polen ihren Hitler hatten.
Also: Die Hauptschuldigen sind die Deutschen. Diese zwangen Demjanjuk, die Juden in die Gaskammern zu treiben, und die Tschechen zur Vertreibung der Deutschen aus Karlsbad. Mir kommt wiederum die Logik der Herren Palata und Michnik zwar nicht gefährlich vor, aber grotesk und unwürdig. Sicher, die Deutschen tragen die Verantwortung für den Holocaust, die Besetzung Prags und die Entfesselung des Zweiten Weltkriegs. Mit Demjanjuk ist es aber ein bisschen anders, als Herr Palata schreibt. Hunderttausende russische Soldaten gerieten in deutsche Gefangenschaft. Vielen von ihnen wurde angeboten, das zu machen, was Demjanjuk übernommen hat. Nur wenige entschieden sich, es zu tun. Und diese entschieden sich dafür, um Vorteile zu erlangen, welche die anderen, die Anständigen, nicht genossen. Für diese Entscheidung trägt Demjanjuk persönlich die Verantwortung. Und aus der Okkupation Prags ergibt sich nicht zwingend die Notwendigkeit der Vertreibung der Deutschen aus Karlsbad. Diejenigen, die sich derart entschieden und sich daran beteiligt haben, tragen dafür die Verantwortung.
Niemand behauptet, die Konzipierung des Holocaust sei das Gleiche, wie den Knecht in einem Vernichtungslager zu machen oder die Deutschen aus Karlsbad zu vertreiben. Nur sollte jeder seinen - wenn auch kleineren - Teil der Verantwortung übernehmen und sich nicht wie ein kleiner Junge herausreden.
Lidové noviny, 10. Dezember
Übersetzung Sylvia Janovská