Treten wir aus der Europäischen Union aus!
Endlich haben wir Klarheit! Das geht aus der heutigen Ausgabe der links orientierten Tageszeitung „Právo“ hervor (einschließlich der Interviews mit dem Anwalt Aleš Pejchal und dem Verfassungsrechtler Prof. Václav Pavlíček). Uns bedroht ein starker und verbissener Feind: Die Sudetendeutschen (mancherorts schreibt man sogar „Sudetendeutsche Bewegung“) und ihre eventuellen Vermögensansprüche, welche die Situation in unserem Vaterland zu destabilisieren drohen. Das behauptet Staatspräsident Klaus, der Leiter der politischen Abteilung der Präsidentschaftskanzlei Ladislav Jakl sowie der christdemokratische EP-Abgeordnete und Kämpfer für die Olmützer Quargel Jan Březina, der zu Klaus in einem „nicht antagonistischem Widerspruch“ steht (die Sudetendeutschen bedrohen uns, aber auf andere Weise, als Klaus denkt).
Klaus ergriff am Sonntag im Fernsehen durch den Mund seines Sekretärs Jakl das Wort. Sein Standpunkt ist eindeutig: Insofern es um die Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon geht, wird er sich nicht wie die Iren mit irgendwelchen politischen Garantien zufrieden geben. Er fordert eine „dauerhafte Ausnahme von der Charta der Grundrechte“ (eine solche, wie sie Polen erhalten hat). Und sie muss von allen restlichen 26 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union abgesegnet werden.
Klaus spricht nicht für sich allein. Einer Enquete des tschechischen Privatfernsehens „Prima TV“ zufolge wird der tschechische Staatschef von 91 % der Bürger unterstützt. Die Zahl ist möglicherweise angesichts der Ungenauigkeit der improvisierten Umfrage ein bisschen überhöht, allerdings wiederum nicht allzu sehr.
Was ergibt sich daraus?
Erstens: Wir müssen das Recht erkämpfen, dass die Charta der Grundrechte bei uns im Unterschied zu den anderen EU-Mitgliedsstaaten nicht so ganz gilt. Sie gilt deshalb nicht, weil wir einst (in den Jahren 1945-46) fast drei Millionen unserer Mitbürger bestohlen und aus ihrer Heimat vertrieben haben(wem das rechtlich nicht passend erscheint, kann statt Mitbürgern Mitmenschen sagen). Aus diesem Grund können wir uns derartige Rechte nicht erlauben. Freiheit und Demokratie sind für uns in mancherlei Hinsicht (Besitzrecht) ein zu großer Luxus. Die Flügel müssen ihnen gestutzt werden.
Aber nicht nur das. Zweitens muss die Tatsache, besser gesagt das Privileg, dass wir aufgrund des eigenen Wunsches weniger Rechte und Freiheiten haben werden, von den übrigen 26 EU-Mitgliedsstaaten abgesegnet werden. Dieses Privileg haben wir uns selbst erkämpft.
Das ist freilich nicht die einzige Aufgabe der 26 Staaten-Gruppe. Diese 26 müssen uns indirekt, aber klar bestätigen, dass das, was wir damals getan haben, vollkommen in Ordnung war. Nämlich, dass das Bestehlen und die Vertreibung von Mitmenschen unter bestimmten Umständen (die Jahre 1945-46) möglich sind. Heute ist das nicht mehr aktuell (wir haben bereits alle vertrieben). Aber morgen, übermorgen – wer weiß! Möglicherweise wird das wieder einmal zupass kommen. Die 26 werden kurz und gut mit uns in diese Angelegenheit eintauchen müssen.
Wenn wir uns so stolz dazu bekennen, dass wir weniger Rechte als die anderen EU-Mitglieder haben sollen, wäre es dann nicht einfacher, wenn wir schlichtweg aus der Europäischen Union austreten würden? Ich habe den Eindruck, dass wir dort nichts zu suchen haben.
lidovky.cz, 12. Oktober 2009
Übersetzung Sylvia Janovská